Helfer aus der Ewigkeit

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Helfer aus der Ewigkeit

In einer Raunacht ist vieles möglich. Manche Menschen glauben das, manche haben aber bereits Unmögliches erlebt in so einer unheimlichen Nacht.

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Art.-Nr.: 007-1 Kategorie:

Helfer aus der Ewigkeit

Die 6. Raunacht

Stumm stand er im grauen Vorhaus und beobachtete seine Frau, wie sie bedächtig eine Kerze nach der anderen anzündete. Sie blies das letzte Zündholz aus und trat einen Schritt zurück. Jedes Jahr, am 21. Dezember, hatte er Mutter beim Gestalten des Gedenktischchens geholfen. Mit den Bubenfingern, die Zunge zwischen den Lippen geklemmt, ordnete er das Moos, die getrockneten Früchte und Strohblumen auf dem Weihnachtstischtuch an. Jedem Bewohner des Hofes, der gestorben war, wurde eine Kerze gewidmet. In dem Jahr, als seine Bubennasenspitze mit der Ahnentischkante eine Ebene bildete, brannte dort nur seines Vaters Kerze. Irgendwann bekam er die Aufgabe übertragen, die Lichter, die Mutter auf das Tischchen gestellt hatte, anzuzünden. Für die Tante, für den Onkel, für Oma und Bary, den treuen Hofhund. Seine Frau hatte den Brauch übernommen. Im Laufe der Zeit mussten die Tannenzapfen und getrockneten Pfaffenhütchen den Kerzen weichen. Ansonsten wäre ein größeres Ahnentischchen notwendig geworden. Die grüne Lichtquelle erinnerte jetzt an Mutter, die elfenbeinfarbige an Schwiegermutter, mit den weißen Funzeln dachte das Ehepaar an die Schäferhunde Aster, Marco, Cora und Aaron. Seit er zwei Teelichter für die beiden ausgefuchsten Kater Fips und Fuzzi platziert hatte, war es eng geworden. Lautlos trat er zu ihr nach vor und legte den Arm um ihre Schultern. „Der Aaron war schon ein besonderer“, murmelte er. „Drum hat er die Kerze gekriegt, die ich selber gezogen hab“, sagte sie. „Aber Fips und Fuzzi, poah, die hatten es auch in sich.“ Er grinste und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wenn die Gschichtln der Bewohner, seit 1768, seits halt unseren Hof gibt, mal jemand aufschreiben tät, ich mein, es würd ein ansehnliches, spannendes Buch werden.“

30. Dezember war es und das Tal noch schneefrei. Vom Berg herunter zog ein Lüftchen. Er dachte an die Fuchskanzel. Im Falle, dass der Lufthauch drehte, bekäme das Hochwild den Jägersmann nicht in den Wind. Es war unmöglich hinter dem Hochstand vorbeizuziehen. Auf 1300 Metern, am Rande eines Plateaus, das in steiles Felsgelände überging, hatte er die Kanzel gebaut.

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